Berliner Eisen - Geschichte eines königlichen Unternehmens 1804 - 1874

Berliner Eisen - Geschichte eines königlichen Unternehmens 1804 - 1874

Organisatoren
Projekt "Berliner Klassik" (Claudia Sedlarz, BBAW); "Census of Antique Works of Art and Architecture Known in the Renaissance" (Charlotte Schreiter, BBAW und HU Berlin)
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
04.02.2005 - 06.02.2005
Url der Konferenzwebsite
Von
Klaus Gerlach, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften; Carola Aglaia Zimmermann

In Verbindung mit der Ausstellung "Berliner Eisen - Geschichte eines königlichen Unternehmens 1804 - 1874" im Märkischen Museum (Stiftung Stadtmuseum Berlin) fand vom 4. bis 6. Februar an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin eine Tagung unter dem gleichen Titel statt. Veranstaltet wurde sie von dem Projekt "Berliner Klassik" (Claudia Sedlarz, BBAW) und dem "Census of Antique Works of Art and Architecture Known in the Renaissance" (Charlotte Schreiter, BBAW und HU Berlin), gefördert durch die Fritz-Thyssen-Stiftung.

Die Tagung beschäftigte sich mit dem Phänomen "Berliner Eisen" unter historischen, ästhetischen und technischen Gesichtpunkten. Die Vorträge handelten von der Entstehung und Geschichte des Eisengusses in Preußen und Sachsen, den verschiedenen Standorten und der damit eng im Zusammenhang stehenden Spezialisierung auf die Herstellung von Gebrauchtwaren, Munition und den Kunstguß, wobei der Kunstguß die Diskussion dominierte. Thematisiert wurde der ästhetische und auch symbolisch aufgeladene Charakter des "vaterländischen" Materials Eisen, der über die Produktion von großformatigen Antiken, Schmuck, Möbeln, Portraitbüsten, Zierrat, Architekturelementen und Friedhofsschmuck eine "geschmacksbildnerische" Wirkung auf das Kunstgewerbe und auf die Bürgerkultur ausübte.
"Fer de Berlin" war nicht nur über die Grenzen Berlins bekannt, sondern wurde auch Vorbild für die Gießereien am Rhein und in Böhmen.

In seiner Einleitung wies Conrad Wiedemann (TU Berlin, Begründer des Projekts "Berliner Klassik") darauf hin, daß sich auf Grund der Formenvielfalt, Verbreitung und Beliebtheit des Berliner Eisens, insbesondere des Schmucks und des Zierrats, der merkantilische und ästhetische Charakter des Materials gleichermaßen zeige. "Fer de Berlin" sei Kontrast oder Paradoxon zum vorherrschenden Ideal der weißen Antike.

Die Geschichte der Berliner Eisengießerei von der Gründung im Jahre 1804 beschrieb Elisabeth Bartel (Berlin), die Kuratorin der Ausstellung "Berliner Eisen". Gerade die Erforschung der Frühzeit der Gießerei sei durch Verluste bei einem Brand in der Revolutionszeit 1848 erschwert. Deswegen seien die überlieferten Neujahrsplaketten, die ab 1805 jedes Jahr gegossen wurden und die eine frühe Form der Produktwerbung darstellen, wichtige Zeugnisse. In der ersten Zeit stellen diese Plaketten technische Einrichtungen der Gießerei dar, später besonders prestigeträchtige Objekte wie z. B. das Kreuzbergdenkmal.
Seit der Eröffnung des Märkischen Museums 1874 wurden Objekte aus Eisen kontinuierlich gesammelt, so daß sich heute über 800 Eisenkunstgußstücke im Besitz der Stiftung Stadtmuseum Berlin befinden.

Laut Willmuth Arenhövel (Berlin) fand die Entwicklung des Eisenfeingusses in Preußen statt. Die Berliner Gießerei wurde durch die Mitwirkung ansässiger Künstler wie Rauch, Tieck, Wichmann und Schinkel, die Vorlagen für Büsten, Denkmale und Zierrat lieferten, bekannt. Der Erfolg des "Berliner Eisens" sei auch darin zu sehen, daß Friedrich Wilhelm III. sein Palais in Berlin mit Kunstguß ausschmücken ließ und damit eine Vorbildfunktion übernahm. Einen besonderen Aufschwung erlebte 1813 die Herstellung von Eisenschmuck nach dem Spendenaufruf von Prinzessin Marianne von Preußen im "Aufruf an die Frauen im preußischen Staate" Gold gegen Eisen zu tauschen. Für eine Goldspende erhielt man einen Ring oder eine Brosche aus Eisen mit der In- bzw. Aufschrift: Gold gab ich für Eisen.

Albrecht Pyritz (Berlin) und Torsten Meyer (Cottbus) gaben einen historischen Exkurs über die Metallurgie, das Hüttenwesen und die Technik des Eisengusses in Preußen. Das Gußeisen wurde aus Flußeisenstein oder Raseneisenstein gewonnen. Mit der Entwicklung von transportierbarem Stabeisen wurden die Gießereien unabhängig von den Hütten. Erst die Einführung von Steinkohlenkoks ab ca. 1791 und von Dampfmaschinen ermöglichte eine erhöhte Produktion. Die Reformideen kamen insbesondere aus England (John Wilkinson und Graf v. Reeden). Meyer hob hervor, daß es eine längere Eisengießereitradition auch in den mittleren Provinzen gab und daß die Entstehung der Berliner Gießerei eng mit der älteren in Gleiwitz verbunden sei. Die Zehdenicker Hütte bei Berlin, so Pyritz, produzierte schon 1677 Kanonen, Öfen und Kaminplatten, aber auch Grabplatten und Inschriftentafeln. Laut Pyritz fand sich bereits in den ersten Plänen zur Berliner Gießerei ein Schwerpunkt auf der Kunstgußproduktion. Der Formguß stellte eine weitere Verbesserung der Technik dar, da er die Reproduzierbarkeit durch den Erhalt der Modelle förderte. 1813 konnten erstmals großformatige vollplastische Figuren hergestellt werden.

Wie sich der Eisenkunstguß mit dem Interesse der Preußischen Regierung, den "Geschmack" der Bevölkerung zu befördern und ihre "Teilhabe am Schönen" zu vergrößern, verband, zeigte Matthias Hahn (Berlin). Die Geschmacksbildung sollte dabei zu einer sittlichen Veredelung des Individuums führen, aber gleichzeitig bediente sie merkantilische Zwecke. In Berlin wurden in den Akademieausstellungen seit 1788 kunstgewerbliche Produkte gezeigt, ab 1806 erstmals Eisenkunstgußprodukte aus Berlin. Das Ornament diente als appliziertes Element zur Steigerung der Schönheit. Als variables konstruktives Element war es gotisch oder klassizistisch inspiriert und konnte als autonomes Element selbst zum Träger des Inhalts werden.

Charlotte Schreiter und Claudia Kabitschke (Berlin) stellten verschiedene Zweige der Lauchhammer Produktion vor. Die großformatigen Antikenkopien, so Schreiter, seien ein Charakteristikum der Produktion der Gießerei im sächsischen Lauchhammer. Durch die neuen Aufstellungsbedingungen im Landschaftsgarten begab man sich auf die Suche nach haltbaren Ersatzmaterialien und kam 1784 in Lauchhammer zum ersten Guß einer Bacchantin. In der Auswahl der Vorbilder orientierte man sich an den Antiken- und Gipssammlungen in Dresden. Schreiter stellte die These auf, daß die Berliner Gießerei aus ästhetischen Gründen die Antiken nicht in Eisen gegossen hätten: "Eisen ist ein nationales preußisches Material". Obwohl auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch Antikenkopien im Landschaftsgarten aufgestellt wurden, lassen sich in Berlin in diesem Kontext keine Eisengüsse nachweisen. Hier manifestierte sich ein künstlerischer Konkurrenzkampf zwischen den einheimischen und französischen Künstlern, die Skulpturen aus Bronze fertigten. Die Portraitbüsten aus Lauchhammer, so Kabitschke, hätten einen "privaten Charakter". Sie waren durchgängig dunkel gefaßt und bis auf wenige Ausnahmen antikisch gewandet. Für Berlin lassen sich keine Büsten mit "privatem Charakter" nachweisen. Während es in Lauchhammer keine Verkleinerungen von Portraitbüsten gab, erreichten die Berliner Miniaturbüsten eine weite Verbreitung.

Barbara Friedhofen (Sayn) und Ulrike Laufer (Duisburg) zeigten Parallelen, Abhängigkeiten und Wechselwirkungen auf Hütten in den preußischen Provinzen auf. Berliner Modelleure und Berliner Modelle wurden exportiert. Ein Zeugnis für den Modelaustausch zwischen Berlin und Sayn sei die Gestaltung der Neujahrsplakette von 1820 durch den Berliner Leonhard Posch.

Mit der Oberflächenbehandlung der Eisenkunstgüsse aus Lauchhammer beschäftigte sich Marcus Becker (Berlin). Die originalen Fassungen imitierten verschiedene wertvolle Materialien, sie waren z. B. bronziert, emailliert, geweißt. "Die Materialität der Skulpturen wurde damit ausgeblendet". Becker verwies auch auf die ästhetische Diskussion um das Wesen der Skulptur (Winckelmann, Herder), das sich materialunabhängig manifestierte. Die Kopien dienten als Zeichenträger mit Verweischarakter auf das abwesende Original, egal aus welchem Ersatzmaterial und mit welcher Oberflächenfärbung sie gearbeitet waren.

Jan Mende (Berlin) zeigte die vielfältigen Parallelen bei der technischen Herstellung und den künstlerischen Objekten von Eisenkunstguß und Terrakotta, die sich in der Person von Tobias Christian Feilner exemplarisch festmachen lassen. Eine Tochter dieses Tonwarenfabrikanten heiratete den für die Berliner Gießerei arbeitenden Bildhauer Ludwig Wichmann. Sowohl Eisen als auch Terrakotta wurden in Berlin als "vaterländisches Material" angesehen. Zudem gab es vor allem bei Baudetails gleiche Einsatzgebiete und durch den Musterkanon der Zeit bedingte Gemeinsamkeiten. Da Güsse von Ganzfiguren in beiden Techniken schwierig waren, wich man auf Teilgüsse aus, die zusammengesetzt wurden. Begünstigt durch das Baukastenprinzip wurde auch Terrakotta zu einem beliebten Material an öffentlichen Bauten.

Godehard Janzing (Berlin) zeigte, wie das wohl berühmteste "Berliner Eisen", das Eiserne Kreuz, zu einer "moralischen Waffe" und zu einem vaterländischen Symbol im Befreiungskampf gegen Napoleon werden konnte. Schinkels schlichte Inszenierung des Eisens mit dem silbernen Rand und der Verbindung der königlichen Insignien mit den Eichenblättern, die im Kontrast zur schmucklosen Vorderseite stehen, konnte, so Janzing, deshalb eine so große Wirkung hervorrufen, weil das Material Eisen im preußischen Kunstgewerbe eine feste Größe geworden war.

Elisabeth Schmuttermeier (Wien) erinnerte an die böhmische Eisenkunstgießerei des Grafen Wrbna in Horowitz, in der vor allem Schmuck hergestellt wurde. Da Musterschutz offenbar noch nicht problematisiert wurde, wurden Vorlagen aus Berlin an die Konkurrenz weitergegeben. So erhielt die Gießerei in Horowitz von Graf Reeden Musterstücke, die nachgegossen wurden. Später entwickelte die böhmische Gießerei aber auch vielfältige eigene Formen. Diese waren meist kompakter als die Berliner und erinnerten eher an Goldschmuckmodelle, die in Eisen gegossen wurden.

Unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten und Besonderheiten bei der Produktion von Gußeisen in der Möbelproduktion führte Achim Stiegel (Berlin) auf. Für das frühe 19. Jahrhundert war bei den Beschlägen zu beobachten, daß man sich in Berlin dem französischen Geschmack beugte: vergoldete Beschläge waren für dunklere Hölzer vorgesehen; gußeiserne Beschläge wurden mit helleren Hölzern kombiniert. Zudem wurde zwischen glänzenden und matten Oberflächen differenziert, wobei man letzteren den Vorzug gab, da das Matte als Opposition zur glänzenden, barocken und damit überkommenen Gestaltung von Oberfläche gesehen wurde. Bei Möbeln, die vollständig aus Gußeisen bestanden wurde auf die Besonderheiten des Materials eingegangen und bei der Produktion das Baukastenprinzip eingeführt.

Andreas Teltow (Berlin) gab einen Überblick über die Verwendung gußeiserner Elemente im Berliner Stadtbild. Den Anfang bildeten kleinere Brücken aus Gußeisen im Berliner Raum, beginnend mit der Probebrücke über den Kupfergraben 1798 mit Bauteilen aus Malapane. Während sich die ersten Denkmalentwürfe noch an steinerner Formenfindung orientierten, kam man später auch zu speziellen auf die Möglichkeiten des Gußeisens zugeschnittenen tektonischen Lösungen. Die Vielfalt der Elemente im Bauwesen zeigte Teltow anhand des "Musterhauses" auf dem Gelände der Gießerei.

Stephan Hadraschek (Berlin) zeigte, daß Gußeisen auch als künstlerisches Material bis in das 20. Jahrhundert Verwendung fand. Ab 1870/71 sei eine verstärkte Repräsentation auf den Friedhöfen zu beobachten. Durch das Aufkommen des Wahlgrabes entstanden aufwendige Denkmale und Grabarchitektur auch auf öffentlichen Friedhöfen. Die gegossenen Eisenkreuze zeigten häufig gotisierende Schmuckformen, die als 'national und urchristlich' angesehen wurden. Einfriedungen wurden durch die Friedhofsordnungen vorgeschrieben, dabei wurden gußeiserne Zäune beliebt, da sie trotz Serienproduktion durch die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten individuelle Gestaltungen ermöglichten.

Erstes Ergebnis der Ausstellung und der Tagung war die Gründung eines Arbeitsverbandes der Stiftung Stadtmuseum Berlin und des Rheinischen Eisengußmuseums Sayn mit dem Stadtmuseum Gleiwitz. Die historische Verknüpfung der einst preußischen Gießereien soll bei der weiteren Erforschung zum Eisenkunstguß erneuert und produktiv gemacht werden. Das erste konkrete Projekt soll eine Ausstellung 2006 werden.

Eine Publikation der Tagungsbeiträge ist geplant.

Das Programm der Tagung und die Abstracts finden sich unter:
http://www.berliner-klassik.de/tagungen/archiv.shtml

http://www.berliner-klassik.de